“Natürlicher Kalkputz – oft als unbrauchbar abgestempelt, weil er angeblich nach dem Auftragen sofort wieder herunterfällt oder, falls er haften bleibt, Risse bildet.” So lauten einige Kritiken, die ich hin und wieder höre, insbesondere wenn ein Bauherr seinen Handwerker dazu “drängt”, einen rein natürlichen Kalkputz ohne Zement und synthetische Zusätze zu nutzen.

Doch liegt das Problem wirklich am Material? Die Antwort lautet entschieden: Nein! In den meisten Fällen sind Fehler in der Verarbeitung aufgrund fehlenden Fachwissens die Wurzel des Übels. Versuchen Sie jedoch, dies einem verärgerten Anwender klarzumachen, der von seiner Fachkenntnis überzeugt ist und schon seit 30 Jahren im Verputzgeschäft tätig ist – das ist keine leichte Aufgabe. Solche Diskussionen sind alles andere als erfreulich. Einerseits möchte man dem Bauherrn zur Seite stehen, der bereits nervös wegen möglicher Mehrkosten und Verzögerungen ist. Andererseits ist es wenig zielführend, sturköpfige Handwerker auf ihre Fehler hinzuweisen.

Es scheint einfacher, das Material zu beschuldigen, statt mangelndes Wissen einzugestehen. Daher mein Appell: Wenn Sie noch keine Erfahrung mit der Verarbeitung von natürlichen Kalkputzen haben, informieren Sie sich gründlich oder lassen Sie es lieber bleiben!

Die meisten Fehler lassen sich vermeiden, wenn man sich im Vorfeld mit den Materialien auseinandersetzt. Die Verarbeitung von natürlichen Kalkputzen ist nicht komplizierter als die von Kalk-Zement-Putzen, allerdings gibt es einige kleine, aber wichtige Unterschiede, die beachtet werden müssen.

In diesem Beitrag erfahren Sie, welche 12 Verarbeitungsfehler bei der Anwendung von Kalkputz häufig gemacht werden und worauf bei der Verarbeitung von Kalkputzen besonders geachtet werden sollte. Die hier beschriebenen Fehler beziehen sich ausschließlich auf natürliche Kalkputze ohne Zement und synthetische Haft- oder Verarbeitungshilfen.

1. Unzureichende Kenntnisse über das Material

Alle im Folgenden genannten Fehlerquellen haben ihre Ursache in unzureichenden Kenntnissen über das Material. Ob es um die Beurteilung des Untergrunds, die zu schnelle Trocknung oder die Entfernung der Sinterschicht geht, nur wer sich eingehend mit dem Material beschäftigt, kann die notwendigen Anforderungen erfüllen. Trotzdem ist es mir wichtig, die unzureichenden Materialkenntnisse als eigenständigen Punkt aufzuführen.

Nicht jeder Putzmörtel ist gleich. Die Auswahl des Bindemittels und der Zuschlagstoffe ist entscheidend für die richtige Verarbeitung. Welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Putzauftrag erfolgreich ist, erfährt man in der Regel vom Hersteller. Daher mein Rat: Lesen Sie die technischen Datenblätter der Hersteller sorgfältig durch.

2. Ungeeigneter Untergrund

Die korrekte Beurteilung des Untergrunds ist für Kalkputze von entscheidender Bedeutung. Die Beschaffenheit des Untergrunds beeinflusst die Haftung und Haltbarkeit des Putzmörtels erheblich.

Der Untergrund muss sauber, trocken, tragfähig und frei von Staub sein. Sinterschichten und Ausblühungen sind zu entfernen. Rückstände von Trennmitteln müssen abgewaschen werden. Ein zu starkes Saugverhalten ist zu reduzieren, während ungleichmäßiges Saugverhalten ausgeglichen werden muss. Bei glatten oder nicht saugfähigen Untergründen sind haftverbessernde Grundierungen oder Vorspritzmörtel notwendig. Nicht tragfähige Untergründe müssen beseitigt oder mit geeigneten Putzträgern stabilisiert werden. Wasserflecken und Verfärbungen sind zu entfernen oder mit einem Isoliermittel zu behandeln.

3. Falsche Lagerung

Calciumhydroxid (Kalkhydrat oder Luftkalk) reagiert mit Feuchtigkeit und kristallisiert. Wird ein Sack Putz zu lange oder unter hoher Luftfeuchtigkeit gelagert, kann Feuchtigkeit eindringen und Klumpen bilden. Putzmörtel wird üblicherweise in Papiersäcken verpackt, die zwar eine Folieninnenschicht haben, aber dennoch nicht vollständig wasserdampfdicht sind. Insbesondere an der Verschlussstelle kann im Laufe der Zeit Feuchtigkeit eindringen.

Wichtig: Auch, wenn sich die Mörtelklumpen noch zerdrücken lassen, darf das Material nicht mehr verwendet werden.

Die Lagerung bei zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen kann ebenfalls zu Schäden führen, besonders wenn das Material vor der Verarbeitung nicht die Zeit bekommt, sich entsprechend zu akklimatisieren. Ein Putz, der mehrere Tage bei Minustemperaturen gelagert wurde, wird sich nicht innerhalb von ein bis zwei Stunden aufwärmen.

4. Putzhärte

Bei der Anwendung von Putzen ist es wichtig, auf die Festigkeit der einzelnen Schichten zu achten. Ein Kalk-Grundputz ohne Zement sollte nicht mit einem Kalk-Oberputz mit Zement überarbeitet werden, da dies zu Schäden führen kann. Es geht jedoch nicht nur um Zement. Auch die verschiedenen Kalkarten unterscheiden sich in ihrer Härte. Putzmörtel mit NHL2 bleiben beispielsweise weicher als solche, bei denen NHL 5 als Bindemittel verwendet wird.

Auch hierzu finden sich entsprechende Angaben in den technischen Datenblättern der Produkte.

Wichtig: Nachfolgende Schichten müssen dieselbe Härte haben oder idealerweise etwas weicher sein, um Schäden zu vermeiden.

5. Beschichtungsaufbau

Die Festigkeit, die Saugfähigkeit, der Einsatzort, die spätere Nutzung und die Art des Untergrundes geben vor, welcher Beschichtungsaufbau langfristig funktioniert und welche Kalkputze eingesetzt werden können. Bei stark saugenden Untergründen kann ein Vorspritzer eingesetzt werden. Bei modernen Ziegelsteinen mit geringer Festigkeit kommen Kalk-Leichtputze zum Einsatz. Bei Materialwechsel oder kritischen Untergründen ist eine Armierung notwendig. Nicht saugende Untergründe können mit Kalk-Haftputz vorbereitet werden. Im Außenbereich ist ein Anstich zwingend erforderlich. Als Fliesenuntergrund sind zementfreie Kalkputze nicht geeignet. Und vieles mehr muss beachtet werden, um den richtigen Beschichtungsaufbau festzulegen.

6. Falsche Temperatur

Kalkputz sollte nicht bei Temperaturen unter +5°C verarbeitet werden. Die Trocknung und damit die Karbonatisierung schreiten bei niedrigen Temperaturen nur langsam voran. Außerdem besteht bei niedrigen Temperaturen immer das Risiko der Frostbildung. Wenn kalte Luft auf eine feuchte Putzfläche trifft, kann selbst bei niedrigen Plusgraden Frost entstehen. Wichtig ist, dass Untergrund (z.B. Mauerwerk), Lufttemperatur und Material den Mindesttemperaturwert erfüllen. Meist wird auf die Luft- und Untergrundtemperatur geachtet, aber was ist mit dem Material?

Wird Putzmörtel im Außenbereich gelagert, kann es im Winter zu Problemen kommen. Denn Putzmörtel, der bei -10°C gelagert wurde, nimmt bei der Zugabe von Wasser Schaden.

Auch zu hohe Temperaturen sollten vermieden werden, da dem Putz durch die Hitze die Feuchtigkeit zu schnell entzogen wird.

7. Schichtstärken

Die erforderlichen Schichtstärken hängen von der Zusammensetzung des Putzes ab. Das verwendete Bindemittel (Luftkalk oder hydraulischer Kalk), die Zuschlagstoffe und der Einsatzbereich bestimmen die Schichtstärken. Pro Schicht sollte eine maximale Dicke von dem 4-fachen der Korngröße nicht überschritten werden. (Deshalb ist es ratsam, Grundputze zweilagig aufzutragen: Zuerst die halbe Putzstärke aufsprühen, antrocknen lassen, dann die Reststärke auftragen.)

Bei Kalk-Grundputzen in zu großen Schichtstärken, gelangt das für die Karbonatisierung wichtige CO2 nur sehr langsam zum Untergrund. Daraus resultiert, dass der Kalkputz nur sehr langsam mit dem Untergrund “verfilzen” kann, was für die Haftung entscheidend ist. Bei Luftkalk als Bindemittel ist es daher wichtig, nicht stärker als 15 mm (inklusive Vertiefungen wie z.B. Mauerfugen) zu verputzen. Hinweis: Die Karbonatisierung dauert pro 10 mm Schichtstärke etwa ein Jahr.

Auch bei Kalk-Oberputzen, insbesondere bei Kalkglätten mit fein gemahlenen Zuschlägen, führen zu starke Schichtstärken oft zu Mängeln. Denn, je feiner das Korn, desto mehr Wasser wird benötigt, um den Putz anzurühren. Wird dieses Wasser entzogen, schrumpft die Putzschicht und reißt. Auch bei Kalk-Glätten sollte die 4-fache Korngröße pro Schicht nicht überschritten werden.

Problematisch sind auch zu dünne Schichtstärken, da der Kalkputz dann zu schnell an Feuchtigkeit verliert. Bei einer 15 mm starken Grundputzschicht kann die Feuchtigkeit deutlich länger Feuchtigkeit gespeichert werden als bei einer 10 mm dicke Putzschicht.

8. Zu schnelle Trocknung

Ähnlich wie beim Aufbrennen führt eine zu schnelle Trocknung dazu, dass nur wenige oder gar keine Kristalle gebildet werden können, die für die Haftung und Festigkeit des Putzmörtels wichtig sind. Zudem kann ein zu schneller Wasserentzug auch zu Schwundrissen führen. Mehr dazu unter “Aufbrennen des Putzes”.

9. Zu langsame Trocknung

Kalkmörtel, insbesondere Luftkalkputze, härten nicht einfach durch die Aufnahme von CO2 (Kohlendioxid) aus. Das Anmachwasser, das die Poren des Baumaterials füllt, muss zuvor verdunsten, damit Luft und somit auch Kohlendioxid in den Putz eindringen kann. Durch eine  zu langsame Trocknung des Putzes wird die CO2-Aufnahme und somit die Kristallbildung gestört. Daher ist es wichtig, einen Feuchtigkeitsstau, zum Beispiel durch Sinterschichten, zu hohe Untergrund- oder Luftfeuchtigkeit, zu vermeiden.

Bei hydraulischen Kalkputzen (HL*) verhält sich die Trocknung etwas anders. Solche Putze können auch unter Wasser aushärten.

Hinweis: Hydraulischer Kalk (HL) darf nicht mit natürlich hydraulischem Kalk (NHL) verwechselt werden. HL wird durch die Zugabe hydraulischer Zusätze wie Trass, Zement usw. hergestellt. NHL enthält diese Zusätze nicht.

10. Aufbrennen des Putzes

Kalkputz, egal ob NHL oder Luftkalk, darf nicht zu schnell trocknen. Für die Karbonatisierung (Kristallbildung) wird Feuchtigkeit benötigt. Wird dem Putz die Feuchtigkeit zu schnell entzogen, “verbrennt” dieser und bindet nicht ab. Mangelnde Haftung am Untergrund, geringe Druckfestigkeit und sandende oder kreidende Putzschichten sind hier die Folgen.

Für den zu schnellen Wasserentzug können stark saugende Untergründe, hohe Temperaturen, Sonneneinstrahlung oder Zugluft verantwortlich sein. Saugende Untergründe müssen daher gewässert und in manchen Fällen mit geeigneten Materialien vorbereitet werden. Direkte Sonneneinstrahlung und Zugluft sollten vermieden werden. Frische Kalkputze sollten bei Bedarf in den ersten 48 Stunden gewässert werden. Eine ausreichende Wasserversorgung in den ersten Tagen unterstützt die Kristallbildung und führt zu sehr gut haftenden und stabilen Putzschichten.

11. Sinterschichten

Bei Kalkputzen bildet sich bei der Verarbeitung an der Oberfläche eine Sinterschicht (auch Sinterhaut genannt). Hierbei handelt es sich um eine harte, glasartige Schicht, die wie eine Trennschicht wirkt. Bei dicken Sinterschichten besteht die Gefahr, dass sie aufgrund der größeren Spannung abplatzen. Die Sinterhaut erkennt man daran, dass die Putzschicht glänzt. Durch eine Benetzungsprobe (Wasser aufsprühen) kann ebenfalls festgestellt werden, ob eine Sinterschicht vorhanden ist. Wenn Wasser abperlt, ist die Oberfläche versintert.

Die Ursachen der Sinterhautbildung sind intensive Strukturierung, zu dünn angemachtes Material oder eine verzögerte Trocknung (niedrige Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit). Bindemittel und Feinteile werden durch das Bearbeiten der Putzschicht an die Oberfläche transportiert. Dort wandeln sich diese zu Kalkstein (CaCO3) um.

12. Anstrich

Wurden bei der Verarbeitung von Kalkputz alle Fehler vermieden, gibt es noch eine letzte Gefahrenquelle: die spätere Endbeschichtung. Die Wahl einer Farbe, die den Putz abdichtet, kann diesen zerstören. Außerdem besteht bei den Anstrichstoffen die Gefahr, dass diese Schadstoffe enthalten. Die meisten Farben enthalten Titandioxid und oft noch andere bedenkliche Zusätze.

Dispersionsfarben: Diese dichten ab und behindern so die CO2-Aufnahme. Das Ergebnis sind stark sandende Kalkputze. Zudem macht es keinen Sinn, einen hoch diffusionsoffenen Putz unter einer Kunststofffarbschicht zu begraben.

Silikatfarben: Bei streichfertigen Silikatfarben ist Vorsicht geboten, denn diese enthalten in der Regel einen Dispersionsanteil und sind nicht so diffusionsoffen, wie es scheint. Der angegebene SD-Wert bezieht sich immer auf die Farbschichtstärke. In der Realität wird jedoch oft deutlich dicker gestrichen, als dem angegebenen SD-Wert zugrunde liegt. Somit ist die Diffusionsfähigkeit deutlich schlechter.

Daher sollte der Oberputz direkt im Wunschfarbton aufgebracht oder mit Sumpfkalkfarbe gestrichen werden. Beide Varianten sind hoch diffusionsoffen und bei richtiger Herstellerwahl auch frei von Titandioxid.

Nach dieser Auflistung mögen sich einige fragen, ob ein natürlicher Kalkputz nicht doch zu anspruchsvoll in der Verarbeitung ist. Ja, er ist anspruchsvoll. Aber wer die Regeln befolgt, wird mit natürlichen Kalkputzen keine Probleme haben. Das gilt im Leben wie beim Verputzen: Wer Regeln missachtet, riskiert Mängel.

Mehr zu Kalkputzen und anderen Baustoffen erfahren Sie in meinem kostenlosen Online-Vortrag, bei dem wir auch gerne über Ihr Vorhaben sprechen können. Mehr Informationen zum Vortrag finden Sie hier: Bauen und Sanieren ohne Nebenwirkungen

Nachhaltige Grüße aus Marktbreit

Gerold Engist und das Team von NATÜRLICH KALK®